Aus „Moin Moin“ wird „buona sera“

Eine 40 Jahre alte Idee erweist sich noch immer als Erfolgsgarant. Der Hellershofer Gesangverein bewies dies bei der Jahresfeier, die so viele Besucher in die Kaisersbacher Gemeindehalle lockte wie nie zuvor.

Von Hans Georg Frank

Kaum jemand vermochte zu glauben, dass die Abkehr vom obligatorischen Theaterstückle zugunsten einer Musikrevue Marke Eigenbau auf Dauer das Publikum begeistern würde, als vor vier Jahrzehnten der experimentierfreudige Sandländer Liederkranz die ausgetretenen Pfad verließ. Inzwischen ist die Nachfrage nach Karten so groß geworden, dass sogar zwei Veranstaltungen nicht mehr ausreichen – in der Halle mussten zusätzliche Plätze geschaffen werden.

Die Popularität ist einer bewährten Zweiteilung zu verdanken. Zunächst zeigt der Männerchor unter der Leitung von Wolfgang Hänle, wie gut er bei Stimme ist, dann entführt ein gemischtes Ensemble in eine Traumwelt aus Sehnsucht und Geborgenheit. Der 1899 gegründete Gesangverein verknüpft Tradition und Fortschritt, wenn er seine Version eines volkstümlichen Musikantenstadls öffnet.

Liederkranz Eintracht Hellershof
Der Liederkranz Eintracht Hellershof

Diesem System folgte die „Eintracht“ auch am letzten Samstag und Sonntag, als sie die Besucher mitgenahm zu einer musikalischen Reise von der Nordsee zur Adria. Hänles Männer hatten zur Einstimmung auf den ideellen Ausflug elf Lieder einstudiert, mit Hymnen auf den Rennsteig, die Mühle im Schwarzwälder Tal bis hin zu Santa Lucia im 1300 Kilometer entfernten Neapel. Die Zuhörer genossen auch das Wiederhören mit dem altbekannten „Pferde zu vieren traben“, einem Volkslied aus dem Tessin. Hänle hatte einen Teil des Repertoires ganz speziell für seine Tenöre und Bässe arrangiert.

Fast echter Küstensand, Muscheln, Seesterne, Strandkorb, Kapitänsmütze, Wanderrucksack, Flaschenpost, Schatzkiste mit Goldstücken, Fischermetze, dazu fernwehfördernde Bilder beliebter Urlaubsziele – in dieser Kulisse spielte sich der Kurzurlaub ab, den Vorsitzender Günther Frank mit seinen Akteuren inszenierte. Schon im Foyer wurden die „Eintracht“-Fans mit italienischem Ambiente empfangen: Vespa PX 80E, Gelati, doppelsitziges Riminirad. „Wir haben uns so auf euch gefreut, auf ein paar Stunden Gemütlichkeit“, ließ sich das erwartungsvolle Publikum beim schmissigen Auftakt mit programmatischer Ansage begrüßen.

Gelati 2013
Gelati in der Kaisersbacher Halle

Landestypisch hießen die Reiseleiter alle willkommen: Von „Moin moin“ der Nordseeküste über das „Grüß Gott“ an diversen alpinen Boden-, Wörther- und Wolfgangseen bis zum „buona sera“ an italienschen Gestaden.

Ein pralles Programm mit 23 Positionen, angereichert mit witzigen Einlagen, sicherte nahezu zweistündige Kurzweil fernab alltäglicher Mühsal. Immer wieder wurde das Publikum einbezogen, einigen Gästen wurde leckeres Eis und heißer Espresso serviert. Nordseewellen plätscherten an den Strand, Seeleute schwärmten von der Liebe im Hafen und der Reeperbahn nachts um halb eins, ehe das Etappenziel Berlin mit einer Tanzeinlage erreicht war. Die Lüneburger Heide bevölkerte Nachwuchsschäfer Christian (14) mit dem drei Wochen jungen Böckle Alfons aus

Jahresfeier 2013 Gabalier
Günter Wahl als Sandländer Ausgabe von Andreas Gabalier kam nicht ohne Zugabe aus der Halle.

In Heidelberg ging ein Herz verloren, das ein bayrisches Cowgirl entdeckt haben könnte. Als hüftschwingender Herzensbrecher bewährte sich Günter Wahl vom Ebersberg als die Sandländer Ausgabe von Andreas Gabalier beim fetzig-gefühlvollen „Sweet little Rehlein“ erneut so trefflich, dass der österreichische Volks-Rock’n’Roller seinen Auftritt in Heilbronn am 4. Oktober getrost dem Double überlassen könnte. Über Kastelruth, wo angeblich das Herz der Welt schlägt, erreichte die fröhliche Reisegesellschaft südliche Gefilde für ein temperamentvolles Finale mit italienischen Ohrwürmern wie „Marina“, „Azzurro“ und „Volare“. der 120-köpfigen Herde des Beutenhofes. Das knuffige Lämmchen erwies sich mit seinem ausdauernden „Mäh“ als stimmkräftige Verstärkung.

Stammgäste, die seit Jahren die Entwicklung der flotten Feier miterleben, waren sich weitgehend einig in ihrem Urteil: „Das war die beste Show.“